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Polens Markt für Büroimmobilien floriert. Die steigenden Leerstandsraten in den Großstädten zeigen allerdings, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. Dies ist jedoch kein Zeichen von Schwäche, sondern eher ein Zeichen für Reife, erklärt Mariola Bitner.

Das Echo des Feuerwerks, das den Nachthimmel rot, orange und grün erleuchtete, war in der gesamten Stadt zu hören. Gefeiert wurde die Fertigstellung des Bürogebäudes Warsaw Spire, dessen über 200 m hoher Turm sich seitdem in die zunehmend von Wolkenkratzern geprägte Skyline der polnischen Hauptstadt einreiht. Das Warsaw Spire gewann bei der MIPIM 2017 im März dieses Jahres den Preis in der Kategorie „Bestes Büro- und Geschäftsprojekt“ und gilt bei vielen als Sinnbild für die anhaltend positive Entwicklung auf dem polnischen Markt für Gewerbeimmobilien.

Dieser Teil Mitteleuropas ist heute selbstbewusst, ja fast schon ein wenig prahlerisch . Die polnische Wirtschaft wächst seit 1992 ununterbrochen, ein Trend, den selbst die 2007 einsetzende Finanzkrise nicht stoppte. Der stetige Zufluss von EU-Mitteln trug auch zur Modernisierung der maroden Infrastruktur bei, was wiederum das Wirtschaftswachstum im Allgemeinen und das Wachstum des Immobiliensektors im Besonderen weiter anheizte.
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Das insgesamt niedrigere Gehaltsniveau und die Verfügbarkeit junger, dynamischer und gut ausgebildeter Arbeitskräfte sind der Grund für das anhaltende Bestreben internationaler Unternehmen, neue Niederlassungen in Polen zu gründen oder ihre Präsenz auf dem polnischen Markt auszubauen.

Ermutigt durch die starke Mieternachfrage und das weltweit niedrige Zinsniveau drängen immer mehr ausländische Investoren auf den Markt für Gewerbeimmobilien, wobei sich Lager- und Einzelhandelsflächen sowie Bürogebäude weiterhin großer Beliebtheit erfreuen. Aber auch neuere Bereiche, wie z. B. studentisches Wohnen, Self-Storage-Zentren und Seniorenresidenzen werden bei Investoren immer beliebter und stärken die Marktentwicklung.

Überbordendes Raumangebot

Der Markt für Bürogebäude in Polen floriert ganz ohne Frage. 2016 erlebte das Land die höchste Bautätigkeit seiner Geschichte. In diesem Jahr wurden über 800.000 m2 neuer Bürofläche fertiggestellt – eine Steigerung von 25 % gegenüber 2015. Die rege Bautätigkeit setzte sich im ersten Quartal 2017 fort. Alleine in Warschau entstanden mehr als 84.000 m2 Bürofläche.

Allerdings hält sich die Leerstandsquote bei Bürogebäuden in Warschau, d. h. der Prozentsatz an Raum in einem Gebäude, der verfügbar, aber nicht vermietet ist, hartnäckig bei 14 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass in diesem Bereich eine anhaltende Überversorgung besteht, während die Mieternachfrage hinterherhinkt. Bis Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht sind, wird es wahrscheinlich noch eine Weile dauern. Dies gilt insbesondere angesichts der weiteren, vor kurzem angekündigten Bauprojekte in der Stadtmitte.

Die Leerstandsquote in Warschau ist höher als in Krakau (6,3 Prozent), Breslau (10,2 Prozent) oder der Dreistadt (Danzig, Gdingen und Zoppot – 12 Prozent) jedoch niedriger als in Kattowitz (15,5 Prozent). Das Wachstum in den Bereichen Business Process Outsourcing (BPO) und Shared Service Centers (SSC), die nach Polen verlagert werden, konzentriert sich tendenziell auf sekundäre und tertiäre Städte, wo die Gesamtbetriebskosten, von denen ein Großteil auf die Personalkosten entfällt, deutlich geringer sind. Dies könnte teilweise die niedrigeren Leerstandsquoten erklären.

Die Leerstandsquoten in Warschau sind auch im Vergleich mit anderen europäischen Großstädten mit reiferem Marktumfeld hoch: So beträgt die Leerstandsquote in London 6,35 Prozent und in Frankfurt 9 Prozent. Interessanterweise schreckt dieses Missverhältnis die Bauträger nicht ab. Die großen Immobilienberatungen geben sich gelassen und sind überzeugt, dass sich der Markt – insbesondere in Warschau – selbst korrigieren und alle neuen Angebote absorbieren wird. Ob dies tatsächlich so ist, wird sich zeigen.

Das Überangebot an gewerblichen Büroimmobilien auf dem Warschauer Markt hat sich signifikant auf die Höhe der Mieten ausgewirkt. Die meisten Vermieter bieten ihren Mietern längere mietfreie Zeiten und beteiligen sich an den Ausstattungskosten. Dieser sogenannte Mietermarkt drückt die Renditen von Anlegern, die in Bauprojekte investieren. Der polnische Markt weist zwar eine gewisse Resilienz auf, aber Märkte, wie z. B. Rumänien, werden sowohl für Bauträger als auch für Investoren, die nach höheren Renditen Ausschau halten, zunehmend attraktiver. Je mehr sich diese neueren Märkte entwickeln, desto mehr erstklassige (Investment Grade) Immobilien und Liquidität bieten sie. Dies wiederum wird einen schnellen Anstieg des Investitionsvolumens zur Folge haben.

Chancen nutzen

Während sich Polens Hauptstadt bemüht, die Leerstände zu füllen, wenden sich ausländische Investoren bereits heute den sekundären polnischen Städten zu. Die polnische Wirtschaft konzentriert sich stark auf die Hauptstadt. Daher nimmt die Bautätigkeit von Büroflächen in sekundären polnischen Städten zu, um die florierenden BPO- und SSC-Bereiche zu bedienen.

Dies wiederum belebt und stärkt die lokale Wirtschaft in diesen Städten. Den Städten bietet sich die Möglichkeit, autark zu sein und gleichzeitig das lokale Gemeinwesen zu erhalten. So gelingt es ihnen auch, lokale Talente am Ort zu halten, die anderenfalls in die Hauptstadt oder ins Ausland abgewandert wären. Dies wiederum stärkt die Resilienz der schon an sich beeindruckenden polnischen Wirtschaftsleistung.
Der Immobiliensektor verläuft zyklisch. Auf Zeiten der florierenden Entwicklung folgen in der Regel Zeiten mit weniger Aktivitäten. Der Immobilienmarkt in Polen ist weit davon entfernt, eine Durststrecke zu durchlaufen. Die Tatsache jedoch, dass der Markt für Gewerbeimmobilien möglicherweise bald innehalten und neuen Atem schöpfen muss, ist kein Zeichen für Schwäche, sondern eher ein Zeichen für Stärke. Es ist ein Zeichen für die Reife des Markts und seine Entwicklung.